Gartenschauen als Katalysator der Sportentwicklung

Während die Städte der Nachkriegszeit vor allem nach Licht, Luft und Raum strebten, stehen wir heute vor existenziellen Herausforderungen: Hitzeinseln, Wassermangel und der Verlust von Kaltluftschneisen prägen unsere Städte. Die Zukunftsfähigkeit urbaner Räume erfordert jetzt entschiedene Maßnahmen.

Zukunftsfähige Leitbilder der Stadtentwicklung müssen sich an der menschen-, gesundheits- und klimagerechten Stadt orientieren. Das bedeutet mehr Freiräume, mehr Grün, verbessertes Wassermanagement (Schwammstadtkonzepte), kühlenden Wind im Sommer und mehr Schatten. Das alles ist alternativlos, wenn wir unsere Städte als attraktiven Lebensraum für Jung und Alt erhalten wollen – und Flora und Fauna natürlich auch.

Gartenschauen sind hierzu ein großartiges, großflächiges Instrument. Sie sichern Grün- und Freiräume, schaffen Grünverbindungen, Parks, Sport- und Bewegungsräume, erhöhen die Klimaresilienz und verbessern die Lebensqualität. Gartenschauen haben eine groß-artige Langzeitwirkung und fokussieren sich auf grüne Stadtentwicklung.

Klimaschutz und Umsetzungsdefizite

Hitzeperioden nehmen zu. 2022 starben laut Robert-Koch-Institut 4500 Menschen in Deutschland durch Hitze. Gesundheitliche Aspekte müssen daher bei der Planung und Genehmigung baulicher Maßnahmen eine erheblich größere Rolle spielen – Hitzeschutz sollte gesetzliche Pflichtaufgabe sein. 

Wir brauchen integrativ strukturierte Best-Practice-Modelle, denn großflächige Stadtplanungsprojekte sind auf Bundesebene rar gesät. Positive nationale Beispiele sind der Mannheim Grünzug Nordost (BUGA 2023), Augsburg Westpark oder das York-Quartier in Münster. 

Trotz vorhandener Empfehlungen zur Klimaanpassungspolitik, wie sie der bdla oder der Verband Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau entwickelt haben, führt die Verschiebung politischer Prioritäten dazu, dass Maßnahmen oft auf der Strecke bleiben. Der Fokus auf Wohnungsbau und Infrastruktur verdrängt die dringend benötigten Klimaanpassungen.

Instrument Gartenschau

Gartenschauen informieren über die Folgen der Klimakrise. Sie bieten Aufklärung und unterstützen Präventionsmaßnahmen. Als strategisches Instrument in der Stadtentwicklung initiieren sie integrierte, gesamtstädtische Entwicklungen. Bestehende Rahmenpläne können dadurch beschleunigt und mobilisiert werden.

Durch ihren Katalysatoreffekt erzeugen Gartenschauen Aufmerksamkeit, bündeln Ressourcen und mobilisieren Gelder – auch Fördermittel, die sonst schwer zugänglich sind. Neben der Förderung der Lebensqualität und Klimaresilienz bieten sie einen hohen gesellschaftlichen Mehrwert, indem sie unter anderem lokales, ehrenamtliches Vereinsleben stimulieren und auf überschaubare Zeitintervalle verlagern und Angebote für Sport und Bewegung sowie Betreuungsangebote stärken.

Lösungsansätze 

Um die Auswirkungen des Klimawandels auf Mensch, Stadt und Natur begrenzen zu können, sind gravierende Anpassungsmaßnahmen erforderlich. Dazu gehören die Vermeidung städtischer Hitzeinseln, von Wasserknappheiten und dem Verlust an Kaltluftschneisen. 

Die Entwicklung von Siedlungen und Landschaftsraum kann nur großmaßstäblich gelingen. Gartenschauen können dazu einen großen Beitrag leisten. Es müssen hybride Lösungen her, die auch Raum für eine Vielzahl unterschiedlicher Nutzergruppen lassen (Multicodierung). Das gilt insbesondere für Flächen und gebührenfreie Anlagen für Sport und Freizeit.
Städte wie Barcelona und Hamburg haben Klimaanpassungskonzepte erarbeitet, Zürich setzt auf Fachplanungen zur Hitzeminderung. Trotz guter Konzepte wie dem blaugrünen Ring in Düsseldorf fehlen jedoch noch viel zu oft die nötigen Umsetzungen.

Konkrete Ansatzpunkte sind fast überall zu finden: in Parkanlagen, Kleingärten, Brachflächen, Grün- und Naturschutzflächen, Retentionsflächen, im Wald und in weiteren Freiräumen wie Gemeinschaftsgärten, Hof-, Dach- und Fassadenbegrünung. Weitere Aufgaben liegen im Ausgleich punktueller Defizite (auch von Sport- und Bewegungsräumen) und Stadt- und Ortsteilentwicklungen sowie der Entwicklung und Vernetzung von Räumen oder Renaturierungen.

Schließlich sind neue multifunktionale Spiel- und Sportflächen (Bewegungsparcours), Spielplätze und Spielbereiche von großer Relevanz für die Nachnutzungskonzeption der Gartenschauen, denn sie besitzen großes Integrations- und Inklusionspotential.

Fazit

Gartenschauen tragen entscheidend zur Lösung urbaner Probleme durch den Klimawandel bei. Sie schaffen Grünflächen, die das Stadtklima verbessern und Überhitzung reduzieren. Durch innovative Wassermanagementsysteme verringern sie das Risiko von Überflutungen. Sie sensibilisieren die Bevölkerung für nachhaltige Stadtentwicklung. Indem sie Planungsprozesse beschleunigen und neue Impulse setzen, leisten Gartenschauen einen relevanten Beitrag zur Entwicklung einer lebenswerten und nachhaltigen Stadt – wenn sie konsequent geplant und umgesetzt werden.

bwgrün.de wird getragen von vier Gesellschaftern: 

  • Gartenbauverband Baden-Württemberg-Hessen e. V.
  • Verband Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau Baden-Württemberg e. V.
  • Bund Deutscher Landschaftsarchitekten bdla, Landesverband Baden-Württemberg e. V. 
  • Fachverband Deutscher Floristen, Landesverband Baden-Württemberg e. V.

Website bwgrün.de

Im Dialog mit

Robert Hoffner

Welche Möglichkeiten haben Städte, Gemeinden und Länder, sich eine Gartenschau „an Land zu ziehen“?

Städte, Gemeinden und Länder können durch sorgfältige, strategische und ganzheitliche Planungen im Vorfeld die Chancen erhöhen, eine Gartenschau auszurichten. Der Schlüssel liegt in der Präsentation einer zunächst durchaus einfach konzipierten, klaren Vision, die auf die Stärkung von Freiräumen, Grünflächen und Nachhaltigkeit und das Potential für die Stadtentwicklung abzielt. Außerdem sollten sie zeigen, dass sie in der Lage sind, langfristige, integrative Stadtentwicklungsprojekte umzusetzen, die auf Klimaresilienz und Lebensqualität abzielen. Der Nachweis der Mobilisierung lokaler Ressourcen, Partnerschaften mit regionalen und nationalen Akteuren sowie das Aufzeigen von möglichen Synergien mit bestehenden städtebaulichen Plänen können ebenfalls hilfreich sein. Fördermittel und Unterstützungsleistungen aller Art von Landes- und Bundesebene spielen bereits auch im Bewerbungsverfahren aus Sicht der Städte oft eine entscheidende Rolle. Darüber informieren auch die Bundesländer über deren Förderprogramme.

Das Förderprogramm in Baden-Württemberg heißt Landesprogramm Natur in Stadt und Land. In Baden-Württemberg sind die Garten- und Landesgartenschaustädte schon bis 2036 vergeben. Das Bewerbungs- und Auswahlverfahren ist darin beschrieben, im Endeffekt ist der Gesichtspunkt des Potentials für die Stadtentwicklung entscheidend, neben einer ausgewogenen, demokratischen, geografischen Verteilung im „Ländle“. 

Welche Bedeutung haben Anlagen für Sport und Freizeit bei der Planung von Gartenschauen?

Sport- und Freizeitanlagen spielen eine zentrale Rolle in der Planung, Beurteilung und bei der Durchführung von Gartenschauen, da sie die Sicherung und Integration von aktiven Erholungsräumen fördern und die Gartenschauen für die breite Bevölkerung viel attraktiver machen. In einer zunehmend urbanisierten Gesellschaft sind Flächen für Bewegung und Freizeitaktivitäten von großer Bedeutung, um den Bedürfnissen aller Bewohner gerecht zu werden. Zudem leisten diese Anlagen einen wichtigen Beitrag zur sozialen Interaktion und Förderung der Gesundheit in einer älter werdenden Informationsgesellschaft. Bewegung im Freien wird durch gut durchdachte, informelle Sport- und Freizeitflächen gefördert, was auch langfristig positive Effekte auf die Nutzung der Fläche nach der Gartenschau hat.

Welche Art von Sportstätten halten Sie angesichts des Klimawandels für zukunftsfähig?

Der Schüssel sind Sportstätten, die die grüne Infrastruktur und die Ökosystemleistungen für Klimaresilienz und Biodiversität von Beginn an mitdenken, zum Beispiel durch konkrete Temperaturregulierung (siehe BUGA 2023), Verringerung und Verzögerung von Regenwasserabflüssen, Kohlenstoffspeicherung und Luftfilterung. Diese Grundlagen definieren gleichfalls zukünftige Aufenthaltsqualitäten. Am Anfang steht somit eine Planungskultur, die auf Kooperationsbereitschaft und intergierte Koordination basiert. Das Handwerk (Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau), Fachleute und Methoden stehen bereit und liefern heute schon fantastische, leistungsfähige und attraktive Strategien und Toolboxen.
Überdachte, das heißt verschattete Sportstätten im Freien helfen dabei, zumal Sport und Bewegung „draußen“ in Zukunft eine riesengroße Bedeutung einnehmen werden, nicht nur nach Corona. In Zeiten immer heißerer Sommer werden diese Anlagen zunehmend zum zweiten Wohnzimmer in der Stadt. 

Dies in Form von beitrags- oder kostenfreien, bürgernahen, multifunktionalen Angeboten für Jung und Alt in Wohnortnähe, die außerdem 24 Stunden sicher nutzbar und barrierefrei zugänglich sind. Zentral und lärmoptimiert in kühlenden Parkanlagen organisiert, welche wiederum insgesamt zum Ausflug einladen und Lust aufs Mitmachen bieten. Sportboxen, die Sportgeräte anbieten, ausreichend Bänke, Lichtanlagen und saubere, sanitäre Infrastruktur, Zisternenkonzepte, die am Dach angeschlossen sind und Solarstrompumpen beinhalten. Alle Leitungsgräben sind beispielsweise gleichzeitig automatisch auch als Wasserspeicher konzipiert, die das Wasser wurzelverfügbar machen. Wichtige, zukunftsfähige Beiträge für grün-blaue Infrastruktur und natürliche Klimaanpassung.

Außerdem Sportstätten, die im weitesten Sinne dem Stichwort der „Grünen Prävention“ gerecht werden und positive Impulse zum Leitbild der gesunden und umweltgerechten Stadt darstellen. Auch alle Baumaterialien (robust, langlebig) und das Bodenmanagement sollten sich diesem nachhaltigen Konzept unterordnen.

Sogenannte „Third Places“ können gerade auch durch vielfältige Sportangebote entstehen, wenn obsolete Funktionen in den Innenstädten wieder pioniermäßig besetzt und zu Räumen für nicht kommerzielle Kommunikation und Nutzung in Ergänzung von Wohnen und Arbeiten werden (zwischen Bebauungen und angrenzenden Freiräumen). Eine neue, bislang unterschätzte Form der Raumaneignung. Dies können auch Freilufthallen mit Basketball, Tischfußball, Calisthenics, generations- und familienfreundliche Bewegungsparcours sein. 

Ergo: Zukunftsfähige Sportstätten sollten überdacht, multifunktional und anpassungsfähig sein, um sowohl aktuellen als auch zukünftigen klimatischen Bedingungen standzuhalten. Wichtig sind zum Beispiel nachhaltige Bauweisen, die das Mikroklima positiv beeinflussen und Flächen, die gleichzeitig für Sport, Erholung und Naturschutz genutzt werden können. Dazu gehören Anlagen, die natürliche Elemente wie Schatten und Kühlung durch Bepflanzung integrieren, sowie wasserdurchlässige Oberflächen, die Wasser effektiv und nachhaltig aufnehmen und dieses erst dann verzögert abführen. Auch Sportstätten, die durch Solaranlagen (z. B. an Ballfängen) oder Regenwassernutzung einen Beitrag zur Energieeffizienz und Ressourcenschonung leisten, sind essenziell.

Können Sie eine Sportanlage oder einen Typus nennen, die diese Kriterien erfüllt?

Gute Beispiele sind jetzt in Wangen auf der Landesgartenschau (mit Wasserspielplatz) oder auf der BUGA 2023 in Mannheim ersichtlich. Grundsätzlich geht auch der Sportpark an der europäischen Zentralbank als ein Bestandteil des Hafenparks in Frankfurt in die richtige Richtung. Ein Beispiel für eine solche zukunftsfähige Sportanlage ist der Blaugrüne Ring in Düsseldorf. Diese Anlage verbindet Freizeit-, Sport- und Naturflächen und zeigt, wie durch smarte Planung Sportstätten entstehen können, die nicht nur funktional, sondern auch ökologisch nachhaltig sind.
Ein weiteres Beispiel sind generations- und familienfreundliche Bewegungsparcours in gut erreichbaren Parkanlagen, die multifunktional nutzbar sind und auf minimaler Fläche ein breites Spektrum an Aktivitäten (z. B. für alle Muskelgruppen und Fitnesszustände der Besucher) ermöglichen – von Fitness über Spiel und Bewegung bis hin zu Natur – erleben. Solche Anlagen bieten nicht nur Sportmöglichkeiten, sondern dienen auch als Treffpunkte für die Gemeinschaft, was ihre soziale Bedeutung verstärkt und ein klassisches Fitness-Studio „in den Schatten“ stellt.

Welche Rolle werden Gartenschauen in den nächsten Jahren in der Stadtentwicklung spielen?

Gartenschauen werden eine immer wichtigere Rolle in der nachhaltigen Stadtentwicklung spielen. Sie bieten einzigartige Möglichkeiten, grüne Freiräume zu schaffen, die Städte
klimaresilienter machen und die Lebensqualität der Bewohner verbessern. Gleichzeitig sind sie Katalysatoren, die notwendige Planungsprozesse beschleunigen.

Welche Herausforderungen sehen Sie für Gartenschauen in der Zukunft?

Eine der größten Herausforderungen wird es sein, ausreichende finanzielle Mittel und politische Unterstützung für die Umsetzung zu sichern. Zudem konkurrieren Themen wie Wohnungsbau und Infrastrukturprojekte oft mit den notwendigen Maßnahmen zur Klimaanpassung. Es wird entscheidend sein, diese Herausforderungen durch klare Kommunikationsstrategien und integrative Planungsansätze zu überwinden. 

Robert Hoffner
Landschaftsarchitekt bdla,
Master (Eng) Stadtplanung und
Geschäftsführer bwgrün.de

Zur Person: 

  • Geschäftsführer Förderungsgesellschaft für die Baden-Württembergischen Landesgartenschauen mbH
  • Geschäftsbereichsleiter Württembergischer Landessportbund e. V. (WLSB) Landessportschule (bis 2023)