Für mehr kommunale Eigenverantwortung

Im Dialog mit

Stefan Breiter

Herr Breiter, in ihrer Funktion haben Sie es regelmäßig auch mit dem Thema Sportinfrastruktur zu tun. Wie würden Sie die aktuelle Situation der Sportstätten in Deutschland beschreiben?

Die aktuell vorhandene sportliche Infrastruktur ist in vielen Bereichen in keinem guten Zustand.
Das KfW-Kommunalpanel schätzt den wahrgenommenen Investitionsrückstand im Bereich Sport in Kommunen auf ca. 12,9 Milliarden Euro (ein Anstieg von rund 4,5 Milliarden Euro zum Vorjahr). Im Vergleich der Sportstättentypen wird der bauliche Zustand bei den Bädern von den Kommunen als am schlechtesten bewertet, gefolgt von den Sportaußenanlagen und den Sporthallen. Durchschnittlich sind bis zu 50 % der kommunalen Sportstätten zu sanieren und zu modernisieren. 

Auch anhand der Zahlen zum Bundesförderprogramm Sanierung kommunaler Einrichtungen in den Bereichen Sport, Jugend und Kultur (SJK) wird der Finanzbedarf der Kommunen deutlich. Es wurden 2023 Anträge in Höhe von 2,3 Milliarden Euro für notwendige Investitions- und Instandsetzungsmaßnahmen gestellt. Das Programm hatte jedoch nur einen Umfang von 476 Millionen Euro. 

Neben der gebauten Sportstätteninfrastruktur zählen auch die zahlreichen „Sporträume“ [(Calisthenics-)Parks, Lauf- und Radwege, Pumptracks usw.] im öffentlichen Raum im weiteren Sinne zur Sportinfrastruktur.
Im Bereich Vereinssportstätten ist es aus meiner Sicht wichtig, die Vereine in die Lage zu versetzen, die notwendigen Sanierungen durchzuführen, damit die Sportanlage weiter zweckgemäß genutzt werden kann. Mindestens genauso wichtig ist aber auch die Unterstützung innovativer Konzepte der Vereine (Umgestaltung und/oder Neubau), damit diese auch in Zukunft attraktiv bleiben. 

Welche Rolle spielen öffentliche Fördermittel bei der Finanzierung von Sportstätten und ihrer Modernisierung? Wie beurteilen Sie die derzeitige Fördermittellandschaft für Sportstättenbau? 

Kurz gesagt: ohne öffentliche Fördermittel könnte die Sportinfrastruktur und damit der Breitensport in dieser Form in Deutschland nicht existieren. Kommunen und Sportbünde
bezuschussen die Vereine auf vielfältige Weise, unter anderem auch im Bereich der Investitionen und Sanierungen. Dabei tragen die Vereine und die Mitglieder selbst einen erheblichen finanziellen Beitrag, der wiederum die Kommunen entlastet.
Schwierig wird es bei der Umsetzung größerer Projekte, zum Beispiel der Bau neuer Hallen oder die Sanierung der zahlreichen Sporthallen aus den 60er- und 70er-Jahren sowie der Bäder.
80 % der öffentlichen Ausgaben für die Sportinfrastruktur wird hierbei von den Kommunen erbracht. Viele Kommunen sind allerdings aufgrund ihrer Haushaltslage nicht in der Lage, ihre Sportstätten kurz- oder mittelfristig bedarfsgerecht zu sanieren und zu modernisieren. Die Unterstützung über Fördermittel von Land und Bund für den Sportstättenbau ist bisher nur unzureichend und kann den geballt aufgetretenen Bedarf nicht annähernd decken. 

Vor diesem Hintergrund sind finanziell umfangreiche Sportstätteninvestitionsprogramme, die zur Planungssicherheit und wegen der Erstellung von Sanierungskonzepten über mehrere Jahre sichergestellt werden müssen, von Bund und Ländern unabdingbar. Darüber hinaus gilt es, die Kommunen durch eine angemessene finanzielle Ausstattung in die Lage zu versetzen, die eigene Sportstätteninfrastruktur langfristig zu erhalten und weiter zu entwickeln, um zu gewährleisten, dass die gesellschaftlich so wertvolle überwiegend ehrenamtliche Arbeit der Vereine weiterlaufen kann. 

Welche Herausforderungen sehen Sie bei der Beantragung von öffentlichen Fördermitteln und wie könnte die Situation verbessert werden?

Zum einen sind, wie oben benannt, die öffentlichen Fördermittel bei Weitem nicht ausreichend, um die Sportinfrastruktur zu erhalten oder gar zu verbessern.
Weitere Problemfelder sind mangelnde Personalressourcen, kurze Antragsfristen sowie überschneidende Förderzwecke zwischen Programmen. Hinzu kommen eine fehlende Autonomie der Kommunen bei der Fördermittel-verwendung. Die Entscheidung über die Verteilung der Gelder sollte stärker in den Kommunen liegen, die den besten Überblick darüber haben, wie die Gelder effektiv verteilt werden, um die größte Wirkung zu erzielen. 

Eine Idee wäre die Erarbeitung eines wirkungsorientierten Leitfadens, anhand dessen die Kommunen die geplanten Maßnahmen bewerten und priorisieren und damit beim Bund Gelder über einen neu aufzulegenden Sportstätteninvestitionsfonds abrufen können. Dabei sollte bei der Bewertung nicht alleine der sportliche Nutzen im Vordergrund stehen – auch Themen wie Nachhaltigkeit, soziale Gerechtigkeit, interkommunale Kooperationen, multifunktionale Nutzungen, urbane Quartiere, gesellschaftlicher Zusammenhalt und Klimaschutz sollten berücksichtigt werden.  

Das Konzept der Ganztagsschule bzw. Ganztagsbetreuung steht quasi vor der Tür. Welche Auswirkungen auf die Sportstätten-Infrastruktur sehen Sie hier? 

Abhängig von bereits vorhandenen Ganztagsschulen und den zukünftigen Mehrbedarfen werden in den nächsten Jahren deutlich mehr Räume für die Umsetzung der Ganztagsschulen benötigt, angefangen von Mensen über Aufenthalts- hin zu Bewegungsräumen.

Der Ausbau der Ganztagsschulen und die damit verbundenen Zuschüsse bieten eine Chance in vielerlei Hinsicht: aus Bewegungssicht eine Möglichkeit, den Schulcampus bewegungsfreundlicher zu gestalten – dazu zählen nicht alleine die Ertüchtigung der Sporthallen sondern auch der Schulhöfe, des Schulgebäudes und gegebenenfalls des Schulwegs. Ich hoffe, dass hier auch mutig neue Wege eingeschlagen werden, die zum Beispiel beim Neubau einer Halle auf die altersgerechten Bedarfe der Schüler eingehen und sich nicht an Normen orientieren, die für den Wettkampfsport aber nicht für den Schul- und Vereinsbreitensport notwendig sind. 

Wenn Sie sich ein Fördermittel-Programm für Sportstätten wünschen könnten, wie würde es aussehen?

Ich wünsche mir ein wirkungsorientiertes Programm, als Verbindung von Stadt- und Sportentwicklung, das zum einen die aktuellen Förderprogramme auf sinnvolle Weise verknüpft und keine starre Trennung mehr vornimmt zwischen den sich überschneidenden Themen Nachhaltigkeit, Stadt(teil)entwicklung, Sport und Bewegung, Gesundheit, Soziales und Bildung und öffentliche Grünflächen. Zum anderen braucht es zum Abbau des Investitionsstaus ein langfristig angelegtes und angemessen dimensioniertes Sportstätteninvestitionsprogramm des Bundes für die Sanierung und den Neubau von Sportstätten, das einen Förderanteil erhält, der von den Kommunen in eigener Verantwortung vergeben werden kann, da diese die regionalen Besonderheiten und die Bedürfnisse der Menschen vor Ort am besten bewerten und flexibel berücksichtigen können.

Das wirkungsorientierte Förderprogramm sollte im Vorfeld abgestimmt werden zwischen Bund, Ländern, Kommunen und dem Sport und eine besondere Förderung bei besonderen Bedarfen vorsehen: oftmals ist die Sportstättensituation in sozial segregierten Stadtteilen deutlich schlechter. Vor dem Hintergrund der Herstellung möglichst gleicher Lebensverhältnisse sollten sich Städte zunächst hierauf fokussieren und bedarfsgerechte Sport- und Bewegungsangebote bereitstellen. Wünschenswert wäre zudem die Schaffung und Pflege einer validen Datenbasis zur Sportstättensituation in Deutschland, als Grundlage für Vergabeprozesse sowie die Einberufung eines Sachverständigenrats durch den Bund, um Grundlagen für die Politik zu erarbeiten zum Thema Sportstätten und Sporträume.

Im Rahmen des Bewegungsgipfel der Bundesregierung wurden für den erarbeiteten Entwicklungsplan Sport kaum finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt. Wie beurteilen Sie die Situation?

Hier wird eine Chance vertan, dem Sport und seiner Bedeutung für die Gesellschaft die Würdigung zukommen zu lassen, die er verdient hat. Sport und Bewegung sind so vielfältig in ihren positiven Wirkungen und für alle Menschen gültig, dass es keinen Ersatz dafür gibt und eine Vernachlässigung große finanzielle Schäden hinterlässt – zusätzlich zu den gesundheitlichen Folgen bei den betreffenden Personen. Diese lassen sich teilweise schwer messen. Aber die Zahlen, die vorliegen, zeigen eindrücklich genug, was passiert, wenn – wie während Corona – keine ausreichenden Bewegungsangebote durchgeführt werden können.

Nichtsdestotrotz: der Entwicklungsplan Sport ist von der Idee her sehr erfolgsversprechend und geht genau in die Richtung, die für die Weiterentwicklung des (Vereins-)Sports wichtig ist. Sport muss als Querschnittsaufgabe gedacht und in einer gemeinsamen Strategie von Bund, Ländern und Kommunen bearbeitet werden. 

Welche Bedeutung messen Sie einer Sportentwicklungsplanung zu und sollte diese als strategische Handlungsgrundlage von Seiten der Länder beziehungsweise
des Bundes bezuschusst werden?

Eine Sportentwicklung zeigt auf, wie unter Berücksichtigung der Einflussfaktoren vor Ort das Themenfeld Sport und Bewegung weiterentwickelt werden kann. Dazu werden Ziele und Maßnahmen individuell für die Kommune festgelegt, die der Politik und den Fachämtern Rückhalt und Orientierung geben können. Das Feld „Sport“ kann dadurch innerhalb der Verwaltung, wie auch in der Stadtpolitik sichtbarer werden und Impulse für neue Entwicklungen setzen.

Im Rahmen einer Sportentwicklungsplanung sollte das gesamte thematische Spektrum der örtlichen Sportakteure in den Blick genommen werden: unter anderem die Interessen der Sportvereine, die Bedürfnisse des informellen Sports, der Schulsport und die Bewegungsförderung im Kindergarten. Bezogen auf die kommunale Sportinfrastruktur sollte diese auf den Erkenntnissen der örtlichen Sportentwicklungsplanung aufbauen. Dies bedeutet neben klassischen Wettkampfsportstätten auch den Bau von zunehmend multifunktionalen Sportstätten für den Breiten- und Freizeitsport – häufig im öffentlichen Raum, klassischer-weise in Grünanlagen.
Eine integrierte, gesamtstädtische und stadtteilorientierte Sportentwicklungsplanung denkt Sport als kommunales Querschnittsthema zusammen mit Bildung, Baugebieten, Gesundheit, Mobilität, Soziales und Grünflächen. 

Ich sehe daher eine große Bedeutung einer Sportentwicklungsplanung für die zukunftsfähige und bedarfsgerechte örtliche Weiterentwicklung des Sports und setze mich aktiv für eine Mittelbereitstellung von Seiten der Länder/des Bundes ein.
Nachhaltigkeit ist ein zentrales Thema des gesellschaftlichen Diskurses. Gleichzeitig hinkt der Gebäudesektor bei den CO₂-Zielen in vielen Bereichen hinterher. 

Welche Maßnahmen ergreift die Stadt Freiburg, um die Nachhaltigkeit von Sportstätten zu verbessern?

Zunächst: Sport braucht Raum. Das ist eine Tatsache, die sich nur schwer ändern lässt. Was wir aber machen können ist, den – meist begrenzten Raum – effektiver zu nutzen und neu zu bewerten. Dazu zählen zum Beispiel neue Hallenkonzepte oder die Betrachtung von öffentlichem Raum als Teil des Bewegungsraums in unserer Stadt. Menschen bewegen sich nicht nur auf normierten Sport-flächen, sie bewegen sich in der ganzen Stadt wie beispielsweise entlang der Dreisam. Durch Mehrfachnutzungen lassen sich Flächen einsparen und die vorhandenen Flächen werden besser ausgelastet. 

Ganz konkret hat die Stadt Freiburg im vergangenen Jahr allen Vereinen, die Interesse angemeldet haben, eine Energieberatung für ihr Vereinsheim gezahlt. Hier werden Maßnahmen empfohlen, wie sich Kosten einsparen lassen, gleichzeitig Ressourcen geschont werden und welche baulichen Umsetzungen sinnvoll wären. 

Darüber hinaus erhalten die Vereine, die einen Kunststoffrasenplatz bauen, nur eine Förderung, wenn sie kein Mikrogranulat verfüllen und eine Tragschicht einbauen, die recycelt werden kann. Beim Neubau von Sportanlagen wird zudem generell möglichst nachhaltiges Material verwendet. Wir haben in Freiburg klare Ziele und Maßnahmen, wie wir Nachhaltigkeit leben und klimaneutral werden wollen. 

Welche positiven Auswirkungen hat die Investition in nachhaltige Sportstätten auf die Gesellschaft und die Umwelt?

Die Investitionen in nachhaltige Sportstätten haben grundsätzlich die gleichen Auswirkungen wie in anderen Bereichen auch. Die Vereine schonen die natürlichen Ressourcen, im besten Fall sparen sie langfristig Geld, beispielsweise bei der Umstellung auf LED-Beleuchtung oder der Installation von Solarmodulen auf dem Vereinsheim. Nachhaltig sind auch sämtliche Maßnahmen des Vereins, die dazu beitragen, dass alle Menschen an den Angeboten des Vereins teilhaben können (Inklusion) und dass Flächen besser ausgelastet werden. Beispiele sind die Umwandlung eines Rasen- in einen Kunststoff-rasenplatz oder die Zurverfügungstellung von Vereins­sportflächen für die Öffentlichkeit außerhalb der Trainings­zeiten. All dies führt dazu, dass der Verein eine Vorbildfunktion einnimmt und sich die Mitglieder nicht nur sportlich betätigen, sondern auch positiv wahrnehmen, wie vielfältig und bereichernd ein Verein ist, der sich öffnet und zukunftsfähig aufstellt. 

Das Ziel sollte sein, allen Menschen im Bundesgebiet die Möglichkeit zu eröffnen, wohnortnah sportlich aktiv zu sein. Dazu sind barrierefreie, einladende Sport- und Bewegungsräume mit niederschwelligen, gesundheitsfördernden Angeboten notwendig, die Begegnung ermöglichen und den sozialen Zusammenhalt fördern. So können langfristig die Ziele einer resilienten, emissionsfreien und smarten Stadtentwicklung im Bereich der Sportstätten erreicht werden.

Sportstätten in Großstädten zu errichten ist aus vielerlei Gründen oftmals sehr herausfordernd. Mit welchen konkreten Problemen sind Sie hierbei konfrontiert? 

Die vielfältigen Sport- und Bewegungsbedürfnisse der Menschen brauchen vielfältige Räume. Da Räume und Flächen ein rares Gut in einer Schwarmstadt wie Freiburg sind, bestehen hier häufig Interessenskonflikte zwischen Sport/Freiflächen, Wohnen, Mobilität und Gewerbe/Wirtschaft. Aufgrund der geänderten Bedarfe der Bevölkerung zählen zu den Sportstätten nicht mehr nur die Vereinssportflächen und Sporthallen. Zunehmend werden auch Liegenschaften für die Sport- und Bewegungsplanung wichtig, die nicht klassisch dem Sport zugeordnet werden: zum Beispiel Grünflächen, Brachflächen, Parks, Parkplätze, Konversionsflächen und Schulhöfe. Erschwert wird die Umsetzung unter anderem durch die vielen und teilweise engen Zuständigkeiten, durch gesetzliche Vorgaben und fehlende finanzielle und personelle Ressourcen.

Stefan Breiter
Bürgermeister Stadt Freiburg
Finanz- und Wirtschaftswesen, Sport