Drei aktuelle Herausforderungen im Sportstättenbau

2,2%

der gesamten Bruttowertschöpfung in Deutschland sind sportbezogen*

* Quelle:, Sportsatellitenkonto (SSK) des Bundesinstitut für Sportwissenschaft; Statistisches Bundesamt 2022a und 2021, BMWK 2022, GWS

Sport ist nicht nur eine Freizeitbeschäftigung, die Sportbranche hat auch eine erhebliche wirtschaftliche Bedeutung für unser Land. Sport ist wie Gesundheit oder Tourismus keine klassische Branche, sondern eine Querschnittsbranche. Mit einer Bruttowertschöpfung von über 65 Mrd. Euro gehört Sport aber zu den bedeutenden Branchen in Deutschland. Die Wirtschaftsleistung ist vergleichbar mit den Bereichen Verkehr und Finanzdienstleister.

Bau und Betrieb von Sportstätten wiederum ist ein Teilbereich des Sports. Sportstätten spielen dabei eine entscheidende Rolle: als Mittelpunkt sportlicher Aktivitäten. Sie sind mehr als nur Orte des Wettbewerbs. Sie sind Treffpunkte, an denen Menschen unabhängig von Herkunft, Alter oder sozialem Status zusammenkommen, Gemeinschaft erleben und Freundschaften schließen können. Sie sind Orte an denen Schweiß und Tränen fließen, an denen Leben und Leidenschaft wie kaum sonst wo in der Gesellschaft gelebt werden.

Die großen Arenen und Stadien hierzulande sind oft in einem guten Zustand. Sie wurden in den vergangenen Jahren regelmäßigen Renovierungen und Modernisierungen unterzogen, um den Anforderungen von Vereinen, Fans, Medien und Sponsoren gerecht zu werden. Radikal anders – wenn auch regional unterschiedlich – sieht die Situation im Breitensport aus. Viele Sportplätze, Schwimmbäder und Turnhallen sind in die Jahre gekommen und benötigen dringend Sanierungen. Budgetkürzungen und fehlende finanzielle Mittel sind die Ursache. Bei der Vielzahl der – teils durch den Gesetzgeber vorgeschriebenen – Aufgaben ist das kein Wunder.

All das sind Feststellungen, die den Akteuren im Sport seit Jahren bekannt sind. Allein es wird nicht besser, indem der Status quo regelmäßig festgestellt und durch weitere Studien sowie Fachgipfel untermauert wird. Es braucht eine neue Dynamik und insbesondere mehr pragmatische Lösungen für die Schaffung und Sanierung von Sportstätten in Deutschland. Als Vertreter der Industrie sind wir durch Planung und Ausführung von Projekten stets im Austausch mit allen Ebenen – von Planern und Architekten über Bauherren bis hin zu den Nutzern.

Feststellen können wir hierbei auf allen Ebenen einen Gewissen Verdruss, teilweise Resignation. Auch dagegen wollen wir mit der Plattform SportZone ankämpfen. Wir werden Ihnen inspirierende Beispiele zeigen, bei denen es Kommunen und Vereinen gelungen ist trotz vieler Herausforderungen eine nachhaltige Transformation von Sport- und Bewegungsflächen umzusetzen.

Träges Deutschland

Anteil der Deutschen, die sich ausreichend bewegen – laut WHO gelten mindestens 150 Minuten moderate bzw. 75 Minuten intensive Bewegung pro Woche als ausreichend. Basis: 2885 befragte Bundesbürger (ab 18 J.); 02.03. – 01.04.2018

Das erfordert Mut, Engagement und viel Geduld. Dafür sagen wir als Vertreter der Sportwirtschaft Danke. Aber es kann und darf nicht bei vereinzelten Leuchtturmprojekten bleiben. Es ist eine gemeinsame Anstrengung ALLER Branchenteilnehmer notwendig, um aufzuholen. Aufzuholen auf dem Weg zu modernen, nachhaltigen, innovativen und bedarfsgerechten Sportstätten.

Drei aktuelle Herausforderungen im Sportanlagenbau

1. Fördermittel & Finanzierung

Die unvermittelte Einstellung des Investitionspakt Sportstätten (IVS) durch die Bundesregierung führt in direktem Maße dazu, dass kurz- und mittelfristig geplante Sportstättenprojekte der Kommunen nicht umgesetzt werden können. Auch das als Ersatz proklamierte Förderprogramm Sport, Jugend und Kultur (SJK) kann den Investitionsbedarf für Sportstätten nicht auffangen. Zumal durch die Zusammenlegung dieser drei gesellschaftlichen Förderschwerpunkte eine Art Konkurrenzkampf ausgerufen wird. Auch erscheint es wenig praxistauglich, wenn die offizielle Ausschreibung für ein Förderprogramm Ende Juli erscheint und Anfang September fertig geplante Projekte eingereicht werden sollen.

Viele Förderprogramme für Sportstätten bei denen Bundes- und Landesmittel verwendet werden, schließen zudem Sportvereine als Mittelempfänger direkt aus. Dass aber genau das ein sehr geeigneter Weg sein kann, um die Umsetzungsgeschwindigkeit für neue Sportprojekte voranzutreiben, ist mit dem Programm Moderne Sportstätte 2022 aus Nordrhein-Westfalen mehr als deutlich geworden. Es wäre daher wünschenswert, wenn derartige Förderkonzepte auch in anderen Bundesländern übernommen werden könnten. Warum immer alles neu erfinden?

In vielen Gesprächen mit Kommunen, Vereinen und Universitäten in den vergangenen Jahren ist zum Thema Fördermittel für Sportstätten ein Punkt immer deutlich geworden: es ist unglaublich schwierig einen Überblick zu erhalten und vor allem zu behalten. Förderung der Kommune, der Landkreise, des Landes, des Bundes, der EU, Städtebauförderungen, KFW-Förderung etc. Selbst für erfahrene Branchenkenner ist das herausfordernd, für z. B. ehrenamtliche Vertreter von Sportvereinen ist das überhaupt nicht leistbar. Eine Vereinfachung, Vernetzung und Konzentration von Förderprogrammen wäre ein erster Schritt zu mehr Transparenz.

2. Dauer der Verfahren

Wer in Deutschland ein größeres Bauprojekt wie die Errichtung eines Sportparks in Angriff nimmt, dem muss klar sein, dass es sich hierbei nicht um einen Sprint, sondern um einen Marathon handelt. Anzahl und Länge der Planungs-, Genehmigungs- und Beteiligungsverfahren nehmen bei manchen Projekten teilweise Jahre in Anspruch. Allein das Aufstellen oder die Änderung von Bebauungsplänen kann in manchen Städten und Gemeinden 3 bis 5 Jahre dauern. Bedenkt man, dass auch noch weitere Zeiten für Baugenehmigung, Bauplanung und Ausführung hinzukommen, ist schnell eine Dekade erreicht. Aber gerade Sport- und Freizeitanlagen sollten in der Lage sein, aktuelle Trends und die Nachfrage der Sportler dynamisch aufzugreifen. Würden Sie Ihre Sportanlage heute genauso planen wie vor zehn Jahren?

Ursache für die teilweise sehr langwierigen Planungen sind sicherlich auch neue und gestiegene Anforderungen im Bereich Bauen und Planung. Zweifelsohne sind viele davon auch gerechtfertigt, denn die Themen Nachhaltigkeit, Digitalisierung und soziale Teilhabe müssen zwingend in Sportstättenkonzepten ihre Berücksichtigung finden. In der Konsequenz führen die steigenden Anforderungen und Auflagen aber oftmals auch zu einem enormen zeitlichen und personellen Mehraufwand. Als Konsequenz aus den überbordenden Anforderungen werden Projekte teilweise nicht umgesetzt. Das nützt niemanden. Gleichzeitig kann festgehalten werden, dass der demografische Wandel auch vor unserer Branche keinen Halt macht. Die Personalressourcen auf beiden Seiten – Auftraggeber wie Auftragnehmer – werden zukünftig eine Herausforderung darstellen

3. Digitalisierung

Die Digitalisierung im Sport birgt ein riesiges bisher nicht genutztes Potenzial. Einfach gesprochen müssen digitale Lösungen flächendeckend dafür eingesetzt werden, um den Institutionen des Sports unnötige Arbeiten abzunehmen. Dies beginnt bei der Reduktion von unnötigem bürokratischem Aufwand. Analoge Förderanträge, Vergabeverfahren, Bauanträge: dies sind aktuell Bremser von Entwicklung und Fortschritt. Mit digitalen Lösungen kann die Effizienz und Transparenz verbessert werden.

Ein weiterer Aufwand versteckt sich in der Mitglieder- und Sportstättenverwaltung. Mit einer digitalen Auslastungskontrolle von Sportstätten und automatisierten Zutrittssystem können Sportstätten bereits heute personalsparend betrieben werden. Personal, dass in der direkten Trainingsbetreuung bzw. Übungsleitung gewinnbringender für den Sport und die Menschen investiert ist. Hinzukommt, dass mit den technologischen Möglichkeiten der aufziehenden KI-Revolution noch viele Potentiale für mehr Effizienz gehoben werden können.

Problematisch ist auch das Feld der digitalen Infrastruktur. Viele Sportgelände sind nicht bzw. nur schlecht mit Internetleitungen versorgt, von Glasfaseranschlüssen ganz zu schweigen. Eine flächendeckende Erschließung von Sportanlagen mit schnellen und stabilen Internetleitungen ist aber absolute Grundvoraussetzung um Gebäude, Prozesse und Sportanwendungen zu digitalisieren. Für den Bereich Digitalisierung existieren in allen Bundesländern zahlreiche Förderprogramme. Bedauerlicherweise werden Sportvereine auch hier oftmals nichts als Antragsberechtige zugelassen, ein unnötiges Hemmnis, welches sehr einfach beseitigt werden könnte. Vorbildhaft erneut: Nordrhein-Westfalen. Mit der Digitalisierungsoffensive für gemeinnützige Sportorganisationen in Höhe von 30 Millionen Euro aus dem Programm REACT-EU der Europäischen Union startet die Landesregierung eine Digitalisierungsoffensive für den Breitensport.

11 Thesen zur Weiterentwicklung von Sportanlagen

Der Projektbeirat beim Bundesinstitut für Sportwissenschaft (BISp) zum Forschungsprojekt "Grundlagen zur Weiterentwicklung von Sportanlagen“ rückt mit seiner Veröffentlichung eine zentrale Grundlage und Ressource des Sports in den Mittelpunkt politischer und fachlicher Diskussionen: die Sportanlagen.

THESE 1:

Das Spektrum an Sportanlagen wird sich – bei insgesamt weitgehend gleich bleibender Anzahl – verändern.

THESE 2:

Regelkonforme Sportanlagen bleiben bedeutsam – werden jedoch durch mehr regeloffene Sportanlagen ergänzt.

THESE 3:

Es sind Sportanlagen notwendig, die von einfacher bis zu anspruchsvoller Bauweise und sportfunktionaler Ausstattung sowie unterschiedlicher Aufenthaltsqualität für die Sporttreibenden reichen wie z. B. Kinder, Menschen mit Behinderung oder ältere Menschen.

THESE 4:

Zugangsbeschränkungen werden fortbestehen – gleichwohl wird von Sportinteressierten und Sportaktiven eine Öffnung des Zugangs zu Sportanlagen erwartet.

THESE 5:

Der Bedarf an dezentralen wohnungsnahen Sportanlagen im Quartier/Stadteil nimmt zu. In Städten und Regionen mit starkem Bevölkerungsrückgang kann nicht ausgeschlossen werden, dass große Sportanlagen nur noch an zentralen Standorten vorgehalten werden können.

THESE 6:

Im Sportanlagenbau werden kostenoptimierte Lösungen und Lebenszyklusbetrachtungen eine zunehmende Rolle spielen.

THESE 7:

Die Bedeutung von Nachhaltigkeitskriterien bei Planung, Bau und Betrieb von Sportanlagen wird zunehmen, insbesondere mit dem Ziel der Senkung des Ressourcenverbrauchs und der Betriebskosten.

THESE 8:

Neue Planungsverfahren und -methoden müssen vermehrt zum Einsatz kommen.

THESE 9:

Neue Formen von Zusammenarbeit und Partnerschaft werden bei Sportanlagen entstehen.

THESE 10:

Die Weiterentwicklung von Sportanlagen bedingt eine breitere Vielfalt an Bauformen und Sportanlagentypen sowie eine höhere bauliche Anpassungsfähigkeit.

THESE 11:

Der deutliche Sanierungsstau bei den Sportstätten ist ein zentraler Engpass der Sportentwicklung. Länder und Kommunen müssen ihre Investitionen ausbauen und verstetigen. Der Bund muss die öffentliche Förderung von Sportstätten in seinen städtebaulichen Förderstrategien fest verankern und ausbauen.

Disclaimer: Die Thesen zur Weiterentwicklung von Sportanlagen werden von den nachfolgend aufgeführten Mitgliedern des vom Bundesinstitut für Sportwissenschaft zum Forschungsvorhaben „Grundlagen zur Weiterentwicklung von Sportanlagen“ einberufenen Projektbeirates vertreten: Lüder Bach, Rudolf Behacker, Annemarie Erlenwein, Andreas Klages, Hartmuth Meyer-Buck, Niclas Stucke, Gottfried Tonhäuser.