Gemeinsam Zukunft gestalten
Sport(stätten)entwicklungsplanung als Grundlage einer sport- und bewegungsgerechten Kommune.
Moderne Sportanlagen bilden eine zentrale Basis für eine gesunde und bewegungsgerechte Kommune. Seit vielen Jahren hat sich die kooperative Sportentwicklungsplanung als zentrales Element zur Steuerung innovativer Sportstättenentwicklung etabliert. Eine zielgerichtete Sportstättenplanung erscheint dabei vor dem Hintergrund vielfältiger aktueller Problemlagen wichtiger denn je. Die finanzielle Situation vieler Kommunen lässt jedoch oftmals an Neubauten von Sportanlagen kaum denken.
Vielmehr wird es immer mehr zur Herausforderung, den ohne jeden Zweifel bestehenden Sanierungsstau bei den kommunalen Sportanlagen anzugehen und bedarfsorientiert zu beheben. Bundesweit gehen Schätzungen gehen bundesweit von hohen Milliardenbeträgen aus, die zwingend in die Sanierung von Sportanlagen fließen müssten.
Neben den Investitionskosten stellen jedoch vor allem auch die Kosten für den laufenden Unterhalt Kommunen langfristig vor Probleme. Darüber hinaus sollen Sportanlagen heute vielfältige Funktionen erfüllen: Moderne Zugangssysteme, Multifunktionalität, Barrierefreiheit und Anpassungsfähigkeit an sich wandelnde sportspezifische Bedarfe sind nur einige Anforderungen, die an moderne Sportanlagen gestellt werden. Zukünftig werden Fragen der Klimabilanz und der Klimaverträglichkeit noch deutlich stärker im Fokus stehen. Bereits heute befassen sich moderne Sportstättenentwicklungsplanungen mit klimaangepassten Sportanlagen und deren Auswirkungen auf den urbanen Raum. Vor diesem Hintergrund ist eine ganzheitliche Stadtentwicklung ohne kommunale Sport(stätten)entwicklung nicht mehr zielführend.
Sanierungsstau als Chance für moderne Sportstättenentwicklung
Im Problem selbst liegt dabei – wie so oft im Leben – auch ein Teil der Lösung. Der Sanierungsbedarf vieler Sportanlagen kann dazu beitragen, die kommunale Sportstättensituation zu modernisieren und an den zeitgemäßen Bedarfen orientiert auszurichten. Zwingend bei allen Entwicklungsplänen muss dabei die konsequente Orientierung am tatsächlichen Bedarf sein.
Die größte Fehlinvestition sind Sportanlagen, die in ihrer Ausstattung und/oder Lage nicht benötigt werden oder von der Bevölkerung nicht angenommen werden. Um diese Fehlentwicklung zu vermeiden, hat sich das Verfahren der Kooperativen Planung seit Jahrzehnten bewährt und wird zudem ständig weiterentwickelt und angepasst. Die Methodik funktioniert jedoch nur, wenn solide, wissenschaftlich fundierte Daten als Diskussionsgrundlage zur Verfügung gestellt werden. Diese müssen zudem praxistauglich aufbereitet werden und sich möglichst kleinräumig auf Stadtteile oder einzelne Sportanlagen beziehen. Moderne Berechnungsverfahren, wie sie am ikps seit vielen Jahren erprobt und weiterentwickelt werden, stellen verlässliche quartiers- und anlagenbezogene Bedarfsgrundlagen zum Sportanlagenbedarf zur Verfügung.
Methodik kommunaler Sportentwicklungsplanung
Eine Sportstättenentwicklungsplanung ist als Teilbereich einer kommunalen Sportentwicklungsplanung zu verstehen. Diese wiederum ist Teil einer umfassenden Stadtentwicklungsplanung. Diese Zusammenhänge haben sich seit vielen Jahren auch in der kommunalen Praxis etabliert und bewährt. Im Vergleich zu einer Sportstättenentwicklungsplanung bezieht die Sportentwicklungsplanung neben den Räumen für Sport und Bewegung (Sporthallen und Sportplätze, aber auch informelle Bewegungsmöglichkeiten im öffentlichen Raum) auch andere Themenfelder in die Planung ein.
Häufige Themenfelder sind ein zielgruppenspezifischer Ausbau von Sport- und Bewegungsangeboten, der zielführende Umgang mit der Ganztagesbetreuung an Schulen oder die Unterstützung und Förderung des Ehrenamtes. Auch die Frage zur zukünftigen Vereinsentwicklung oder zur zielorientierten Sportförderung können Inhalt einer umfassenderen Sportentwicklungsplanung sein. Die zu bearbeitenden Themenbereiche werden für jede Kommune individuell festgelegt.
Grundlage einer jeden Sportentwicklungsplanung sind umfangreiche Analysen des vorhandenen Bestands. Dabei spielt auch die Evaluation bestehender Sportentwicklungsplanungen eine zentrale Rolle. Zudem werden bestehende Fachplanungen unter anderem zur Schul- und Stadtentwicklung einbezogen. Im Rahmen einer Begehung der Sportanlagen werden diese einer qualitativen sportfachlichen Einschätzung unterzogen. Gemeinsam mit einer Bewertung durch Verwaltung und Sportanlagennutzer ergibt sich somit ein deutliches und realistisches Bild der aktuellen Sportanlagensituation in der Kommune.
Im nächsten Schritt werden die Bedarfe unterschiedlicher Zielgruppen erhoben. Dies geschieht in der Regel durch Befragungen. Je nach Zielstellung können auch Interviews die Bedarfserhebung ergänzen. Ziel ist es, eine verlässliche Einschätzung zur Sportstättensituation aus Sicht der unterschiedlichen Nutzergruppen zu erhalten. Die Angaben im Rahmen der Befragungen bilden zudem eine zentrale Basis für die Bestimmung des Sportanlagenbedarfs.
Darüber hinaus werden Meinungsbilder und Handlungsfelder für die weitere Planung erhoben. Die Bedarfsabfrage der Bevölkerung spielt dabei insbesondere für die Gestaltung des öffentlichen Raums eine bedeutsame Rolle. Aber auch die Erwartungen der Bevölkerung an das kommunale Sportangebot und die Sportvereine werden eruiert.
Die Bilanzierung des Sportanlagenbedarfs ist ein zentrales Modul kommunaler Sportentwicklungsplanung. Sie trägt dazu bei, den tatsächlichen Sportanlagenbedarf objektiv und standortbezogen darzustellen. Dabei werden die Bedarfe aller Nutzergruppen (Schulen, Sportvereine, andere Anbieter) einbezogen. Die ermittelten Bedarfe werden anschließend mit den qualitativen und quantitativen Bestandsaufnahmen zusammengeführt. Im Ergebnis zeigt sich eine verlässliche Berechnung des standortbezogenen Sportanlagenbedarfs als Basis aller nachfolgenden Empfehlungen. Diese umfassen konkrete Projekte für Neubauten ebenso wie Sanierungsmaßnahmen. Sofern die Bedarfsberechnungen dies zulassen, muss aber auch über eine Konsolidierung des Bestandes an Sportstätten offen diskutiert werden.
Zudem können Bedarfsberechnungen und andere Daten zur Flächensicherung für Sport- und Bewegungsräume herangezogen werden, insbesondere in Städten mit Bevölkerungszuwachs.
Herzstück und zentrales Element einer Sportentwicklungsplanung ist die Kooperative Planung. Hier finden die Diskussion und Bewertung aller Analysen und Berechnungen statt. Die Planungsgruppe setzt sich aus lokalen Experten für Sport und Bewegung aus den zentralen Bereichen des kommunalen Sports zusammen: Sportvereine, Schulen, unterschiedliche Bereiche der Verwaltung (Sportamt, Stadtentwicklung, Hoch- und Tiefbau etc.), Politik, andere Sportakteure wie offene Jugendarbeit und Zielgruppenvertretungen sowie interessierte Bürger. Die Planungsgruppe hat die Aufgabe, unter externer Moderation konkrete Ziele und Empfehlungen für die zukünftige Sportentwicklung zu erarbeiten. Dabei werden auch konkrete Verantwortlichkeiten benannt und eine Priorisierung aller Maßnahmen vorgenommen. Diese Handlungsempfehlungen bilden in Zusammenhang mit einer externen Einschätzung und Bewertung das zentrale Ergebnis der Sportentwicklungsplanung.
Fazit: Sportentwicklungsplanung ist heute mehr denn je das geeignete Instrumentarium, um eine moderne, bedarfsgerechte und zukunftsorientierte Sportstättenversorgung zu gewährleisten. Sie vereint qualitative und quantitative Daten mit dem Expertenwissen vor Ort. Sportentwicklungsplanung stellt somit eine praxisnahe Antwort auf das Problem des Sanierungsstaus bei Sportanlagen dar, indem der tatsächliche und prognostische Handlungsbedarf bestimmt wird. Somit ist sichergestellt, dass die zur Verfügung stehenden Mittel bedarfs- und zielgerichtet eingesetzt werden. Eine direkte Erhöhung der zur Verfügung stehenden städtischen Haushaltsmittel ist damit freilich nicht verbunden. Über verlässliche und langfristige bundesweite Förderprogramme könnte und sollte an dieser Stelle eine sinnvolle und dringend notwendige Unterstützung für
die Kommunen ansetzen.
Im Dialog mit
Wolfgang Schabert
Welche Möglichkeiten hat der Sport, seinen Forderungen mehr Gehör zu verschaffen? Besteht bei Sport(stätten)entwicklungsplanungen nicht immer die Gefahr, dass den Gesprächen mit den Vereinen aus Kostengründen letztlich immer viel zu wenig Raum gegeben wird?
Um den berechtigten Forderungen nach bundesweit mehr Unterstützung im Sportstättenbau Nachdruck zu verleihen, sollten alle Beteiligten – ob organisierter Sport, Wissenschaft oder kommunale Dachverbände – immer wieder auf das Thema aufmerksam machen. Dies erfolgt ja bereits seit Jahren, die Bemühungen sollten aber nicht nachlassen. Auf kommunaler Ebene machen wir die Erfahrung, dass gerade Sportstättenentwicklungsplanungen die Bereitschaft in der Politik erhöhen, Mittel für den Sport bereitzustellen. Die Tatsache, dass keine Wunschliste erstellt wird, sondern nach wissenschaftlichen Grundlagen erarbeitete Bedarfe definiert und gemeinsam diskutiert werden, sorgt für große Akzeptanz in der Politik und der Bevölkerung. Dies könnte auch ein bundesweiter Ansatz sein.
Können Sie uns ein Beispiel für eine gute Zusammenarbeit nennen? Was können wir daraus lernen?
Gute Beispiele gibt es bundesweit sehr viele. Auf unserer Homepage ist eine Projektübersicht mit über 500 Projekten mit unterschiedlicher Zielstellung zu finden. Im konkreten Fall wurde in der Stadt Langen kürzlich das Richtfest für eine neue Vierfeldhalle gefeiert, die Gemeinde Reichenbach an der Fils baut derzeit eine neue Zweifeldhalle mit Gymnastikraum und Mensa, in Cuxhaven wurden in den vergangenen Jahren trotz angespannter Finanzsituation zwei neue Kunstrasenfelder gebaut. Dies alles sind konkrete Ergebnisse kooperativer Sportentwicklungsprozesse, die uns zeigen, dass auch ambitionierte Projekte eine sehr gute Chance auf Realisierung haben. Natürlich entstehen aus kooperativen Prozessen auch innovative individuelle Projekte wie der Sportpark Rems. Bei Objektplanungen wie in Schorndorf zeigt sich besonders deutlich, wie wichtig der Austausch mit den Akteuren vor Ort ist.
Was bedeutet es mittel- und langfristig für den Sport und seine Infrastruktur, wenn die milliardenschweren Defizite zwar bekannt sind, aber konkrete Strategien und Konzepte ausbleiben?
Die Probleme werden immer weiter in die Zukunft verlagert. Problematisch dabei ist, dass die Defizite mit den Jahren immer größer werden. Besonders groß ist der Aufschrei, wenn von heute auf morgen Sportanlagen aufgrund ihrer Defizite für den Sport geschlossen werden müssen. Dies trifft Schulen und Sportvereine gleichermaßen und somit vor allem auch die Jüngsten in unserer Gesellschaft. Dies gilt es mit allen Mitteln zu vermeiden. Sportstättenentwicklungsplanungen beziehen daher explizit auch Sanierungspläne und den Erhalt des Bestandes mit ein. Man muss sich, auch auf den verschiedenen politischen Ebenen, klar machen: ohne Sportanlagen kein Sport, ohne Sport keine Gesundheitsförderung und keine soziale Integration.
Welche Art von Sportstätten halten Sie angesichts der Individualisierung des Sports und des finanziellen und ökologischen Drucks für zukunftsfähig?
Hier gibt es seit einigen Jahren viele innovative Konzepte und Ideen. Die klassische Sportanlage für den Schul- und Vereinssport wird immer mehr zur Bewegungsanlage für unterschiedlichste Zielgruppen und somit die gesamte Bevölkerung. Vor allem bei Sportaußenanlagen erleben wir seit vielen Jahren die erfolgreiche Entwicklung, Schulsport, Vereinssport und Freizeitsport der Bevölkerung auf einer Sportanlage zu verbinden. Darüber hinaus spielen klimatische Faktoren eine immer bedeutsamere Rolle: Kunstrasenplätze als urbane Hitzeinseln, Bewässerung und Beschattung sind mittlerweile neben dem Bedarf häufig diskutierte Aspekte. Auch bei den Turn- und Sporthallen stellt sich in den Planungsprozessen zunehmend die Frage, wie diese aus finanzieller und ökologischer Sicht sinnvoll und nachhaltig betrieben werden können. Dabei ist eine möglichst effektive Nutzung ebenso Teil der Lösung, wie eine komplette Lebenszyklusbetrachtung der Anlagen. Aus unseren Bevölkerungsbefragungen geht zudem hervor, dass der Bedarf an ganzjährig nutzbaren Sportanlagen sehr groß ist. Hier spielen dann vor allem die Themen Beleuchtung und Witterungsschutz eine große Rolle.
Können Sie eine Sportanlage oder einen Typus nennen, die diese Kriterien erfüllt?
Seit einiger Zeit rücken Kalt- und Freiluftsporthallen immer mehr ins Zentrum der Diskussion. Aus finanziellen und ökologischen Gesichtspunkten sind diese Anlagen überlegenswert. Aus sportfachlicher Sicht sind sie jedoch nicht für alle Sportangebote gleichermaßen geeignet. Dennoch können Kalt- und Freilufthallen eine sinnvolle und moderne Ergänzung des kommunalen Sportanlagenportfolios darstellen.
Ein sehr gelungenes Beispiel für eine innovative Sportaußenanlage sehen wir im Sportpark Rems. Hier wurden optimale Bedingungen für den Vereinssport geschaffen, mit modernem Vereinszentrum und Kunstrasenplätzen. Darüber hinaus gibt es aber auch vielfältige Möglichkeiten für alle Bevölkerungsgruppen. Es wurde somit wirklich ein Sportpark für ALLE geschaffen. Diese Grundsatzausrichtung ist auch in kleineren Kommunen und mit deutlich weniger finanziellem Aufwand umsetzbar. In erster Linie bedarf es – wie so oft – der Bereitschaft aller beteiligten Akteure.
Wolfgang Schabert
Geschäftsführer Institut für Kooperative
Planung und Sportentwicklung
Zur Person:
- Dipl.-Sportwissenschaftler
- Die Schwerpunkte seiner Arbeit liegen im Bereich Kooperativer Sportentwicklungsplanung, Bedarfsberechnungen sowie in der Planung der bewegungsfreundlichen Gestaltung von Schulhöfen und Sportarealen.