Nachhaltigkeit im Sportstättenbau
Wir bewältigen die großen Transformationen nur, wenn wir als Gesellschaft zusammenhalten. Sport kann eine einende Kraft sein, deshalb benötigen wir moderne, attraktive und zugängliche Sportstätten.
Herr König, Sie sind Strategieberater für Nachhaltigkeit mit Schwerpunkt Sport. Warum muss sich Ihrer Ansicht nach auch die Baubranche, besonders im Hinblick auf den Bau von Sportstätten, stärker mit Nachhaltigkeitsthemen auseinandersetzen?
Wenn es ums Bauen geht, genauer gesagt um Bauvorhaben mit Bezug zum Sport, müssen wir uns zum einen darüber im Klaren sein, dass sich die Rahmenbedingungen für Sport verändern werden, Stichworte Schattenflächen, Zugang zu Wasser etc. Ein weiterer Diskussionspunkt ist die Frage: Wie wird gebaut? Studien belegen, dass die Bauwirtschaft für ca. 40 % der Treibhausgasemissionen in Deutschland verantwortlich ist [Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) (Hrsg.): Umweltfußabdruck von Gebäuden in Deutschland. Kurzstudie zu sektorübergreifenden Wirkungen des Handlungsfelds „Errichtung und Nutzung von Hochbauten“ auf Klima und Umwelt. BBSR-Online- Publikation 17/2020, Bonn, Dezember 2020], vor allem durch die vorgelagerten Prozesse der Baustoffindustrie und deren Zulieferer. Dieser Tatsache muss die Branche ins Auge blicken und sich fragen:
- Müssen wir überhaupt neu bauen?
- Was könnten wir erneuern oder modernisieren, um eine attraktive, zeitgemäße Sportstätte zu erhalten? Und falls ein Neubau unumgänglich ist:
- Wie kann nachhaltigeres Bauen aussehen, in puncto Materialien, Bauprozesse etc.?
Schließlich werden die trägen Prozesse beim Bau, von der Ausschreibung bis zur Planung, immer problematischer, weil Anforderungen hinsichtlich der gesellschaftlichen Akzeptanz künftig klarer und lauter werden, angeführt von und eingebettet in die Klimadiskussion. Auch die Baubranche wird hier adressiert werden, davon sind wir bei fors überzeugt. Diese Trägheit des Bausektors einerseits und die Dynamik der Nachhaltigkeitsentwicklung andererseits werden zwangsläufig kollidieren, und darauf sollte man vorbereitet sein.
Welchen Nutzen erfüllen Sportstätten Ihrer Meinung nach für unsere Gesellschaft?
Sportstätten sind unter mehreren Gesichtspunkten wichtig: Angefangen damit, dass sich Menschen bewegen können, sportlich aktiv werden und dadurch präventiv ihre Gesundheit unterstützen, Stichwort SDG 3 - Gesundheit und Wohlergehen. Dieses 3. der 17 „Sustainable Development Goals“ (dt.: Ziele für nachhaltige Entwicklung) der UN will ein gesundes Leben für alle Menschen gewährleisten und ihr Wohlergehen fördern.
Es geht hier aber auch um die Integration und Inklusion von Menschen mit körperlicher und geistiger Beeinträchtigung, von Menschen mit Migrationshintergrund und allen weiteren Vielfaltsdimensionen, mit dem Ziel, Gleichberechtigung und Chancengleichheit in unserer Gesellschaft zu fördern, was wiederum SDG 10 – „Weniger Ungleichheiten“ – zum Inhalt hat. Zu große Ungleichheiten führen in Gesellschaften zu Brüchen, wie wir heute schon in unterschiedlichen Ländern, u. a. den USA; erkennen können. Aktuell sehen wir auch, dass steigende Preise, ausgelöst durch die sprunghaft angestiegenen Energiekosten, zu gesellschaftlicher Verunsicherung und Zukunftsängsten führen und sich die Spaltungsdynamiken, deutlich spürbar seit der Corona-Pandemie, eher noch verhärten werden.
Im Umkehrschluss entsteht daraus für mich das große Thema, bei welchem Sport und Sportstätten ihren größten positiven Beitrag leisten können: der gesellschaftliche Zusammenhalt und die Stärkung des sozialen Kitts! Ohne diesen Kitt können wir die großen Transformationen unserer Zeit nicht bewältigen. Ökologische Veränderungen wie der Klimawandel werden unsere sozialen Systeme stark beeinflussen und Grundlagen unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens maßgeblich verändern.
Wie können Sportstätten diesen „sozialen Kitt“, von dem Sie sprechen, generieren?
Ich bin der absoluten Überzeugung, dass Sportstätten einen großen Hebel haben, indem sie Plattformen im wahrsten Sinne des Wortes darstellen, auf denen sie integrativ wirken. Hier geht es eben nicht nur um die pure Facility. Die Facility an sich muss allerdings nachhaltigere Grundlagen für den Betrieb der Plattform schaffen, der dann wiederum alle Menschen erreichen und zusammenbringen soll. Meine Idealvorstellung wäre ein ökologisch und auch ökonomisch nachhaltigerer Raum, in dem Sport von unterschiedlichsten Menschen betrieben wird, wodurch wiederum ein wertvoller sozialer Beitrag für die Gesellschaft entsteht.
Sportstätten sind für Sie also mehr als statische Gebilde?
Ganz genau. Auf der einen Seite stehen der Bau und alle damit einhergehenden Arbeiten wie Renovierung, Modernisierung, Erneuerung, auf der anderen Seite der Betrieb und die Vision. Gemeinden und Kommunen müssen das Gebäude am Laufen halten, Sportangebote und Programme müssen aufgesetzt werden, eine Aufgabe, die meist von Vereinen und kommerziellen Anbietern übernommen wird. Diese verschiedenen Stadien einer Facility, vom Bau über den Erhalt, den Betrieb und die Bespielung sollten meiner Meinung nach von Anfang an viel enger miteinander verzahnt werden. Ich würde mir wünschen, dass der ganze Lebens- und Bewirtschaftungszyklus von Sportstätten noch viel stärker und integrativer gedacht wird.
TAKE-AWAYS:
- Die Baubranche und somit auch der Sportstättenbau wird sich in den kommenden Jahren durch Druck aus Gesellschaft und vom Gesetzgeber stärker mit Nachhaltigkeitsaspekten auseinandersetzen müssen. Kluge Organisationen und Kommunen erkennen jetzt schon, wo die Chancen durch ein nachhaltigeres Verständnis entstehen und ergreifen sie früher.
- Sport schafft sozialen Kitt: Die vereinende Wirkung des Sports kann einen großen Beitrag für sozialen Zusammenhalt und den Abbau von Ungleichheiten leisten. Sportstätten sollten Plattformen sein, die die Grundlagen dafür schaffen.
- Von Anfang an alle Interessensgruppen einbeziehen und von der Planung über die Umsetzung bis in den Betrieb und Pflege ein ganzheitliches Bild einer Sportstätte aufzeichnen.
DIE GRÖßTEN FEHLER:
- Absurde Auflagen und fehlgeleitete Subventionen – diese müssen vermieden werden. Dafür gemeinschaftlich Lösungen finden, um solche Auflagen und Subventionen richtig zu steuern.
- Muss es unbedingt ein Neubau sein? Besser genau abwägen und prüfen, ob und wie eine bestehende Sportstätte renoviert werden könnte.
- CO₂-Kompensation über Zertifikate und grüne Label! Machen Sie nicht den Fehler, sich nachhaltiger darzustellen, als Sie sind. Die Greenwashing- Gefahr besteht auch durch blindes Vertrauen in vermeintlich grüne Siegel!
Dennis König
geschäftsführender
Gesellschafter bei fors.earth
Zur Person: Dennis König unterstützt Organisationen aus der Sportbranche, aber auch allen anderen Branchen dabei, Nachhaltigkeit in die Unternehmens- und Vermarktungsstrategie zu übersetzen. 2020 gründete er das Beratungsunternehmen timesarechanging mit Fokus auf Nachhaltige Partnerschaften.
Seit 2023 ist er geschäftsführender Gesellschafter bei fors.earth , einer Strategieberatung für Nachhaltigkeit mit Sitz in München und Stegen am Ammersee. fors.earth ist eine von weltweit über 5000 zertifizierten „B Corporations“ und gehört damit zu einer wachsenden globalen Bewegung von Unternehmen, die aktiv eine nachhaltige, soziale und faire Zukunft vorantreiben